Djovana

Im Oktober 1992 machten sich die beiden Musiker Markus Keusen und Marcel Rutschmann auf zu einer Reise nach Moçambique. Sie verliebten sich in Land und Leute und in den folgenden Jahren reifte ein unglaublicher Entschluss heran: Auswandern in dieses von einem langen und brutalen Bürgerkrieg gebeutelte Land und dort ein Musikprojekt aufziehen.

Im Oktober 1995 war es soweit: Die beiden hatten ihr Hab und Gut in einem Container verstaut und zogen von dannen – nach Beira, der zweitgrössten Hafenstadt des Landes. Was sie dort erwartete war die betörende Schönheit und der eigenwillige Spirit von Afrika, grosse Armut und viel Lebensfreude, die ersten Gehversuche einer jungen Demokratie und das flirrende Chaos einer langsam erblühenden Wirtschaft.

Als erstes musste eine Wohnung renoviert werden. Was im zweitärmsten Land der Welt seine Zeit dauert. Dann legten Markus und Marcel im lokalen Kulturzentrum Hand an und bauten einen Übungsraum, was noch länger dauert. Afrika braucht Zeit, in jeder Hinsicht. Alles ist nervenaufreibend, alle haben etwas zu sagen, die zwei Suiços wecken da und dort Begehrlichkeiten und weil sie ihr Projekt ohne grosse Institution im Rücken vorwärts treiben, sind sie dem einen oder anderen Lokalfürsten in Beira zuweilen suspekt.

Aber noch im Lauf des Jahres 1996 organisieren die beiden die ersten Workshops, geben Musikstunden, machen Aufnahmen mit verschiedenen Musikern und lancieren einen Talentwettbewerb. Dort tauchen vier Kids auf, um die 14/15 Jahre, mit eigenen Texten, die sie mit selbstgebastelten Grooves dem staunenden Publikum in die Ohren rappen. Djovana war geboren.

Marcel und Markus nehmen die vier Kids unter ihre Fittiche. Zu den eindringlichen Texten von Remigio, Municua, Helio und Nilsa – sie handeln vom Krieg ebenso wie von der puren Lebensfreude – komponieren sie professionelle Songs und Sounds, sie proben, machen Aufnahmen und produzieren eine CD, die im Frühjahr 1997 erscheint.

Ein Kunststück. Denn in Beira gibt es kein Tonstudio und die Hauptstadt Maputo liegt 1000 Kilometer entfernt. Marcel produziert mit einfachstem Equipment in seinem Schlafzimmer, er kämpft mit Stromausfällen (die manchmal Tage dauern) und extremer Luftfeuchtigkeit, die seinen digitalen und analogen Gerätschaften mächtig zusetzen. Für die Einspielung der Musik werden der Gitarrist Rolf Mosele und der Saxophonist Klaus Widmer aus der Schweiz sowie der Perkussionist Zé Maria aus Maputo eingeflogen. Markus spielt das Schlagzeug, Marcel den Bass, die Kids rappen. Aus dem eingespielten Material entsteht ein Masterband, mit dem Markus in die Schweiz fliegt und im Label Sound Service den richtigen Partner findet.

Noch im gleichen Jahr organisieren Markus und Marcel zusammen mit dem Schweizer Musiker Daniel Küffer – der übrigens beim ersten Trip nach Moçambique von 1992 ebenfalls dabei gewesen ist – eine Schweizer Tour mit rund 25 Auftritten und zehn Workshops. Ein Jahr später folgt die zweite Tour in die Schweiz, u.a. mit einem sehr erfolgreichen Auftritt am Open Air Festival St. Gallen und ein Gastspiel am Kongress der International Society for Music Education in Pretoria/Südafrika.

Nach vier Jahren kehrt Markus 1999 mit seiner mozambikanischen Frau Sandra und der gemeinsamen Tochter Mayara in die Schweiz zurück – ein Familienleben erweist sich in der nach wie vor chaotischen und schlecht organisierten Hafenstadt als Problem. Marcel bleibt – und coacht weiterhin die musikalischen Gehversuche der vier Rapper. Und er produziert mit Musikern aus Moçambique, nach wie vor ist er im Umkreis von mehreren hundert Kilometern der einzige mit einem Recording – Equipment.

Die vier Djovana-Kids schliessen momentan ihre Schule ab und sind inzwischen zu engagierten Jungmusikern herangewachsen. Sie treten regelmässig in Beiras angesagtestem Club auf und freuen sich auf einen weiteren Abstecher nach Europa – mit Rap de Moçambique zur KinderKulturKarawane 2001.

Mehr über Djovana, die Hafenstadt Beira und das Musikprojekt von Markus und Marcel in Moçambique lesen Sie hier

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PREDA/PETA

Durch den Fernsehkrimi „Tatort Manila“ wurde PREDA 1998 erstmals auch in Deutschland einem größeren Publikum bekannt. PREDA (Peoples Recovery, Empowerment and Development Assistance) wurde 1973 von Pater Shay Cullen in Olongapo gegründet und ist Anlaufstelle und Therapiezentrum für sexuell missbrauchte Kinder und Jugendliche. Olongapo, in der Nähe der ehemaligen amerikanischen Clark-Marine-Basis, ist bekannt für sein Rotlichtviertel.
Im PREDA-Zentrum werden 30 Mädchen im Alter von 8 bis 17 Jahren therapeutisch betreut. Sie besuchen außerdem eine Schule oder erhalten eine Berufsausbildung.
Zusammen mit der „Philippine Educational Theatre Association“ (PETA) führt PREDA regelmässig Theateterprojekte mit Jugendlichen durch.

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El Agujon

Das Teatro EL AGUJON gründete sich 1980 als Reaktion auf die damalige Militärdiktatur in Bolivien. „Agujon“ heißen die großen Nähnadeln mit denen Gewänder hergestellt werden; es bedeutet aber auch „Stachel“. In ihrem Namen wollte die Gruppe die Handarbeit der Frauen mit einem lästigen Stachel verbinden, mit dem sie die etablierte Ordnung stechen und auf sich aufmerksam machen wollten. In ihrem Theater verband EL AGUJON Erfahrungen mit der Theaterarbeit bei den Minenarbeitern und mit Indianischen Frauen.

Das Teatro Trono und COMPA, ein Netzwerk sozialegagierter Kunst- und Kulturschaffenden ging aus diesen Anfängen hervor. 1996 formierte sich EL AGUJON neu. Zur Kerngruppe gehören heute 6 Frauen und 2 Männer. Durch die Workshops für Kinder und Jugendliche, die EL AGUJON regelmäßig veranstaltet, entstehen immer wieder neue und kreative Potenziale.

Schon in den 80er Jahren gewann EL AGUJON mit seinem Stück „So ist das Leben – Asi es la Vida“ den Theaterpreis der Stadt. Das Stück war sarkastisch, ironisch und mit viel Komik inszeniert und erzählte aus der ärmsten Stadt Boliviens: El Alto.

Zuletzt hat EL AGUJON zusammen mit der Firma Clima, die für die Müllentsorgung in La Paz zuständig ist, Theaterstücke für die Umwelterziehung entwickelt. Die Stücke, die von der Sauberkeit in der Stadt und den Möglichkeiten des Recycling handeln, werden regelmä0ig in den Schulen Boliviens aufgeführt. Mittlerweile haben 60.000 Schülerinnen und Schüler die Produktionen von EL AGUJON gesehen.

Website des Projekts

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M.U.K.A.-Project

1994 – das Ende der Apartheid – war für die Menschen in Südafrika eine Zeit voller Umbrüche. Viele Jugendliche zog es von den Townships in die Zentren der Städte, wo sie sich häufig auf der Straße wieder fanden. Hier nahm M.U.K.A.-Project 1995 seinen Anfang. In einem „Shelter“ der Evangelischen Friedenskirche Johannesburg, trafen sich Jugendliche, die ursprünglich aus Soweto stammten, und begannen gemeinsam Theaterstücke zu entwickeln. Sie nannten sich „Most United Knowledgeable Artists“ – kurz M.U.K.A. – und verarbeiteten in ihren Inszenierungen ihre Erfahrungen als Straßenkinder. Als Bühne nutzten sie die Straßen, Gemeindezentren und Kirchen.Heute ist M.U.K.A.-Project eine Institution in Hillbrow, einem der Brennpunkt-Stadtteile in der Innenstadt Johannesburgs. 50 Kinder, 30 Jugendliche und 15 junge Erwachsene proben in drei Gruppen (Kids, Youth und Seniors) Theaterstücke und Tanzchoreographien. Sie machen Musik, organisieren Workshops, trommeln, texten und tanzen. Aus der Handvoll Straßenkinder von einst sind professionelle SchauspielerInnen und Theatermanager geworden.

Hillbrow ist ein hartes Pflaster: Gewalt und Kriminalität, Drogen und Prostitution, Vergewaltigung und Verwahrlosung, HIV/Aids und Armut sind bestimmende Themen im Alltag der Kinder und Jugendlichen – wie auch in den Theaterstücken und Workshops der jungen M.U.K.A. – SchauspielerInnen. Mit der Theaterarbeit lernen sie, ihre Sorgen und Hoffnungen kreativ auszudrücken. Und sie zeigen anderen jungen Menschen, die auf der Straße leben, Alternativen zur Gewalt ihres Alltags auf.

Künstlerische Arbeit und soziales Engagement sind im M.U.K.A.-Project eng verknüpft. M.U.K.A. ist Mitglied in der Johannesburger Allianz für Straßenkinder (JASC), arbeitet in verschiedenen Suppenküchen für Bedürftige, unterstützt arbeitslose Jugendliche mit Stipendien und ist in Frauenhäusern aktiv. Ein wichtiger Teil der Arbeit sind Theaterauftritte und Workshops zu gewaltfreier Konflikt-Lösung an Schulen – in informellen Siedlungen ebenso wie in den reichen Vororten Johannesburgs. Nachbarn und Eltern der Jugendlichen werden zu kostenlosen Aufführungen, Community-Workshops und Gesprächen eingeladen.

M.U.K.A. hat Erfolg: Die erste „große“ Produktion „The Chain“ entstand 1996 und wurde gleich mit vier Preisen beim „Windybrow Arts Festival“ ausgezeichnet. 1998 wurde das M.U.K.A.-Project in die USA eingeladen und gewann in Washington mit seinem Stück „Gift“ den „Creativity Excellence Award“. 1999 kam M.U.K.A. das erste Mal nach Deutschland zum Evangelischen Kirchentag in Stuttgart. Eine Koproduktion mit der philippinischen Theatergruppe „PETA/Preda“ begeisterte auf der EXPO 2000 die Zuschauer/innen. Mit dem HIV/Aids-Stück „Wild Fire“ hat sich das M.U.K.A.-Project seit 2002 in Südafrika einen exzellenten Ruf erworben. Seitdem touren sie durch verschiedene Städte und Regionen in Südafrika und den Nachbarländern, erhalten Einladungen zu Festivals und immer wieder auch nach Deutschland. Bei der KinderKulturKarawane war M.U.K.A. – Project mit verschiedenen Gruppen schon 7 Mal dabei.

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Zirkus Parada

Sie leben auf der Straße, in der Kanalisation oder auf dem heruntergekommenen Nordbahnhof: Die Straßenkinder von Bukarest. Heute sind es um die 2500. Sie sind wie Aussätzige vom Staat vergessen. Nur die Kanalisation bietet ihnen den notwendigen Schutz, um im harten rumänischen Winter zu überleben. Schaben und Ratten müssen sie in Kauf nehmen, um wenigstens im Trockenen und Warmen zu sein. Gekocht wird auf dem Boden, Wasser zum Waschen gibt es nicht. Sie sind aus Heimen geflüchtet oder aus Familien, in denen sie geschlagen wurden, oder in denen das Geld fehlte. Die Öffentlichkeit wurde 1989 auf die Straßenkinder aufmerksam. Die Kinder von damals sind erwachsen geworden. Im Bukarester Nordbahnhof ist bereits die zweite Generation unterwegs. Hierarchien sind entstanden. Zudem konsumieren mehr als 75% der Kinder Drogen, inhalieren giftige Lösungsmittel.

Am Anfang des „Phänomens“ stand die Geburtenpolitik von Diktator Nicolae Ceausescu, der die Abtreibung in den 70er Jahren strikt verboten hatte. Jede Familie wurde angehalten, 3 bis 5 Kinder zu haben. Ab dem 4. Kind übernahm der Staat die Versorgung, wenn die Eltern es allein nicht schafften. Die Kinder wurden von den Familien getrennt und kamen in Heime, wo auch heute noch rund 100.000 von ihnen mehr oder weniger vegetieren. Ein Teil suchte nach der Revolution die neue Freiheit auf der Straße. Jetzt ist zwar die Geburtenrate stark zurückgegangen, doch die wirtschaftliche und soziale Misere stürzt immer mehr Familien ins Elend.

Als vor 11 Jahren der französische Clown Miloud Oukili mit Fahrrad und roter Nase nach Bukarest auf Tournee kam, wurde er mit diesem Elend konfrontiert. Die Straßenkinder kamen immer wieder zu seinen Vorstellungen. Er lernte ihre Sprache, er unterhielt sich mit ihnen und er versuchte sie von dem Drogenkonsum loszubekommen – und: er brachte ihnen erste Zirkustricks bei.

„Das Leben ist hart und der Zirkus auch. Wenn man erfolgreich Zirkus machen kann, findet man auch Wege die Schwierigkeiten des Lebens zu meistern. Zumindest ist das meine Philosophie. Der Zirkus ist ein Ausweg. Man wird verführt und findet Freunde in dieser Zirkuswelt. Das sind doch noch alles Kinder, und Kinder müssen spielen, Im Zirkus gelingt es, die verlorene Zeit des Spielens wenigstens ein bisschen wieder nachzuholen. “ (Miloud Oukili, Clown)

Während 1989 den Straßenkindern in Rumänien noch Mitleid entgegengebracht wurde, sind es heute Hass und Abscheu. Für viele Kinder ist das Leben in der Zirkusgemeinschaft eine ganz neue Erfahrung.

„Miloud kam eines Abends mit einem Freund und dem Versorgungshaus CARAVAN zu uns auf die Straße und hat uns zu essen gegeben. Wir haben ein Feuer gemacht und Cola getrunken. Miloud hatte einige Zirkusgeräte dabei und wir haben begonnen zu üben – zu jonglieren und Pyramiden zu bauen, Doch mit den Pyramiden, das war sehr sehr schwierig. Das klappte nicht, weil wir alle zu sehr unter Drogen standen. “ (Liliana Voicu)

Heute ist die kleine Zirkustruppe mit dem Namen PARADA immer häufiger auf Tournee. Vor allem in Italien und Frankreich ist sie gern gesehener Gast. Außer einem festen Kern von gestandenen Akrobaten, sind es immer wieder neue Kinder, die Miloud mitnimmt.

„In Bukarest existieren diese Kinder ja offiziell nicht. Sie haben ja keine Ausweispapiere und mit dem Grund der Auslandstournee verschaffen wir sie ihnen. Sie sind so plötzlich keine dreckigen Straßenkinder mehr, sondern Kinder, die Zirkus machen und weil sie ihn gut machen, werden sie sogar ins Ausland eingeladen.“ (Miloud Oukili, Clown)

Miloud Oukili legt Wert auf Maske und Ästhetik bei seinen Aufführungen. Er malt ein Lächeln auf die Gesichter der Kinder, die in ihrem Leben bisher viel zu viel geweint haben.

„Ich will keine wilden Clowns, sondern solche, die sich auf den anderen einlassen, diskutieren können und die gemeinsame Sache weiterbringen. Es darf nicht einfach der Stärkere siegen. Bei unseren Zirkuspyramiden trägt der Stärkste das Elend des Schwächsten. Auf der Straße ist das genau umgekehrt. Da muss der Schwächste den Stärksten tagen.“ (Miloud Oukili, Clown)

Mittlerweile hat PARADA mehr als 300 Straßenkinder wieder integriert. Sieben Wohnungen konnten in Bukarest angemietet werden, in denen einige ein neues Zuhause gefunden haben. Sie gehen wieder zur Schule oder erlernen einen Beruf. Oder sie wurden zu Milouds Akrobatiklehrern und bringen den anderen das Jonglieren bei.

„Ich habe dem Papst eine rote Nase gegeben und ihn gebeten, sie zu segnen. Denn diese Nase ist für uns zwar nur ein Plastikhilfsmittel, aber sie ist auch ein Symbol der Würde und der Hoffnung. (…) Die Nase hat eine goldene Regel: Man muss sich selber respektieren, erst dann kann man den anderen respektieren. Sonst funktioniert nichts. “ (Miloud Oukili, Clown)

Clownpower gegen Gleichgültigkeit. Miloud und seine Artisten sind die Botschafter der Straßenkinder von Bukarest. Ob auf Tournee oder zuhause in Rumänien. Überall machen sie auf ihr Projekt aufmerksam und geben so Kindern eine Lobby, die sie bisher nicht hatten.

„Ich sage ganz einfach: Wenn es weniger Straßenkinder gäbe und mehr Menschen, die sich ernsthaft um sie kümmerten, würde der Clown sein Fahrrad und seine rote Nase nehmen und nach Hause fahren.“ (Miloud Oukili, Clown)

Im Dezember 1999 erhielt Miloud für seine Arbeit den UNICEF-Preis. Doch mehr als Preise braucht es heute konkrete Hilfe, damit die Pyramide der Hoffnung für die Kinder von Bukarest nicht wieder zusammenbricht.

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Ndere Kids

Als die Ndere-Troupe 1986 von Stephen Rwangyezi gegründet wurde, hatte Uganda eine Periode von Bürgerkriegen und politischen Unruhen hinter sich. Die Kriege und die langen Jahre unter mörderischen Regimen hatten zahllose Waisen hinterlassen. Es wird geschätzt, dass in dieser Zeit mehr als zwei Millionen Menschen ermordet wurden – die meisten von ihnen Eltern. Neben den politischen Morden forderte auch Aids seinen Tribut.

Es muss nicht betont werden, dass ein Land, das solche Katastrophen erlebt hat, auch wirtschaftlich große Probleme hat. Darüber hinaus fordern Krankheiten wie Malaria und Masern Hunderte von Toten und die Kindersterblichkeit war wegen mangelnder medizinischer Versorgung und Unterernährung sehr hoch. Als wäre das noch nicht schlimm genug, kostete auch die Schulausbildung in Uganda ein Vermögen. Begabte und intelligente Kinder hatten keine Chance, jemals eine Schule zu besuchen, von anständiger Unterkunft und Verpflegung ganz zu schweigen.

Heute ist die Ndere Troupe ein international anerkanntes und erfolgreiches Theater-, Musik- und Tanzensemble. Die Ndere Troupe hat es sich mit einem Repertoire von über 40 Tänzen und Liedern aus allen Landesteilen Ugandas zur Aufgabe gemacht, das traditionelle kulturelle Erbe zu schützen und sich nicht nur der Erhaltung, sondern auch der Vermittlung dieses Wissens zu widmen.

In ihren Theaterstücken behandelt die Ndere Troupe im wahrsten Sinne existentielle Themen wie HIV/Aids-Aufklärung. Die Aidsrate konnte in Uganda bis 2002 von 30 auf 6% gedrückt werden, aber dennoch ist die Immunschwächekrankheit immer noch eine der führenden Todesursachen. Ende 2001 hatte Uganda bei etwa 24,7 Millionen Menschen insgesamt zwei Millionen HIV-Infektionen und 950 000 Aidstote. Nur 23% der sexuell aktiven Bevölkerung benutzen Kondome. In vielen Theaterstücken wird also vor unüberlegten sexuellen Begegnungen, vor unvorsichtigem Verhalten, dem falschen Gebrauch von Kondomen bis hin zu vor allem bei Jugendlichen ungewollten Schwangerschaften gewarnt.

Die Ndere Troupe theatralisiert aber auch andere gesellschaftlich relevante Themen wie Korruption, Land- und Wasserwirtschaft, Hygiene, Umweltschutz und die Wichtigkeit des respektvollen Umgangs mit der Natur und Wildtieren, etc. Die Gruppe hat von Beginn an Unterhaltung als Mittel der Erziehung angenommen und umgesetzt. Stephen Rwangyezi meint dazu: „Vor allem in Ländern wie Uganda kann das Theater nicht um des Theaters willen existieren. Es ist vielmehr ein wesentlicher Faktor in der Gestaltung der sozialen, politischen und ökonomischen Geschichte.“
„Theater ist ein sehr erfolgreicher Ansatz der Entwicklungsarbeit. Zwischen den 16 % der Menschen, die in Städten und den 84%, die am Land leben, liegt eine große Kluft – das ist die gesellschaftliche Realität hier“ betont Stephen Rwangyezi. „In weiten Teilen des Landes gibt es keine Straßen, die immer auch dem Austausch von Informationen dienen, nur 10% der Menschen können wirklich lesen, sie haben also keine Möglichkeit, sich aus Zeitungen oder Büchern zu informieren. Nur 1% unserer Bevölkerung haben in ihren Häusern Strom, deshalb können sich die meisten auch nicht mittels Fernsehen informieren. Die Menschen hier sind arm, die meisten haben pro Jahr weniger als 100 Dollar Einkommen. Theater ersetzt bei uns also die üblichen Massenmedien als Quelle von Information“, erklärt Stephen Rwangyezi.

1996 ergriff die Ndere Troupe und gründete das Netzwerk UDTA (Uganda Development Theatre Association). In den 11 Jahren hat sich UDTA zu einem ständig wachsenden Netzwerk von über 2000 lokalen
Theatergruppen entwickelt. Primäre Ziele dieses Netzwerkes sind die Entwicklung der darstellenden Künste sowie der kreative Einsatz der theatralen Mittel zur sozialen Entwicklung und Wandel der ugandischen Gesellschaft.

Die Künsterinnen und Künstler der Ndere Troupe kennen aus eigener Erfahrung die schwierigen Lebensbedingungen, die aus der unsicheren sozialen, politischen und ökonomischen Situation in Uganda resultieren. Daher hat sich die Gruppe zum Ziel gesetzt, benachteiligten Kindern durch ihre Theaterarbeit eine Chance und neues Selbstvertrauen zu geben. Für eine gewisse Anzahl von sehr armen Kindern kann die
Schulausbildung – und das Schulgeldes – übernommen werden. Sie erhalten Verpflegung und Wohnraum, Kleidung und medizinische Versorgung. Wenn die Kinder Talent für Musik, Theater oder das Geschichtenerzählen haben, werden sie in die Ndere Troupe aufgenommen und erhalten eine Schauspielausbildung.
„Unsere Arbeit hat präventiven Charakter, setzt aber auch in akuten Notlagen an. Einige der Kinder holen wir von der Straße, wenn sie schon ganz in diesem Milieu abgetaucht sind. Andere (die meisten von ihnen)
kommen aus extrem schwierigen Zusammenhängen und würden auf der Straße landen, wenn wir sie nicht aufnehmen würden.“

UDTA – Ndere Centre
Das Ndere Centre – ein Kulturareal von 40.000qm mit Theater, Amphitheater, Probemöglichkeiten, Galerie, Restaurant sowie Gästezimmern – wird seit 2004 in einem Außenbezirk von Kampala bespielt. Die 2007 abgeschlossene dritte Bauphase beinhaltete die Unterkunft für die Ndere Troupe als ‚resident group‘, Büros und Lagerräume. Mit der Übersiedlung der Ndere Troupe ist eine wesentliche Belebung des Kulturzentrums zu erwarten. Das Ndere Centre beheimatet auch das Headquarter der Uganda Development Theatre Association (UDTA).

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Experimental Theatre Foundation (ETF)

Die “Experimental Theatre Foundation” wurde 1992 von dem Schauspieler, Regisseur und Theaterpädagogen Manjul Bhardwaj in Mumbai gegründet. Mit seinem „Theatre of Relevance“, einem volksnahen Theater, das traditionelle Kunstformen Indiens aufgreift, um die Menschen zu unterhalten, ihnen aber auch soziale Themen näher zu bringen, wird die Bedeutung betont, die Theater als Medium für sozialen Wandel hat: ein sozial engagiertes Theater, das den Bedürfnissen des Großteils der Bevölkerung entspricht.

ETF spielt seine Stücke auf den Straßen und Plätzen Indiens ebenso wie auf der Bühne der großen Theater des Landes. Bei den Vorstellungen in Schulen und Dörfern werden die sozialen Themen behandelt, die die Menschen am Rande der Gesellschaft bewegen.
ETF hat aus der langen Erfahrung mit der Theaterarbeit mit gesellschaftlich Marginalisierten verschiedene Module entwickelt, die in Theaterworkshops für unterschiedliche Zielgruppen nutzbar gemacht werden. ETF weckt mit seinen Theaterproduktionen aber nicht nur das Bewusstsein über die Wichtigkeit sozialer Themen, sondern setzt durch seine einzigartigem Theatermethoden und Darstellungsformen Wandlungen direkt in Gang. Themen  wie Konsumzwang, häusliche Gewalt, Kinderarbeit, Korruption, Frauenrechte, sexueller Missbrauch von Kindern, Menschenhandel wurden von ETF in mitreißendes Theater verwandelt.

Frauen und Kinder stehen im Mittelpunkt vieler Produktionen. Durch ihre Theaterarbeit konnte ETF direkt das Leben von mehr als 1.000 Frauen beeinflussen, die Opfer von Gewalt wurden, und nun wieder in die Gesellschaft integriert sind. 1.500 arbeitende Kinder können dank des Engagements von ETF wieder zur Schule gehen und für über 7.000 Kindern konnten informelle Bildungswege eröffnet werden.

Seit 2004 widmet sich ETF verstärkt den Themen und Problemen von Jugendlichen. Mehr als 500 junge Männer und Frauen haben an Workshops teilgenommen und sind zu jungen Schauspielern und Darstellerinnen ihrer eigenen Geschichten geworden. ETF plant eine ähnlich intensive Theaterarbeit für Jugendliche aufzubauen, wie sie es für Kinder bereits gibt.

Bislang hat ETF mehr als 25 Theaterstück in mehr als 15.000 Aufführungen im In- und Ausland vorgestellt und mehr als 120 Workshops überall in Indien durchgeführt, an denen mehr als 4.000 potentielle Schauspieler teilgenommen haben. Auch in Deutschland überzeugten die Workshops über Theater und soziale Relevanz die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
ETF hat das Kindertheaterfestival „Bal Natya Utsav“ ins Leben gerufen, um durch Theater von Kindern für Kinder auf die Bedürfnisse von Kindern aufmerksam zu machen. Mittlerweile hat sich ETF zu einem Zentrum entwickelt, in dem alle Theateraktivitäten, die mit sozialem Wandel befasst sind – sei es von Theatergruppen, NGOs oder Regierungsinstitutionen – zusammengeführt werden.

So ist ETF selbst zu einer Theaterbewegung geworden. ETF hat keine Angestellten, vielmehr unterstützen viele mit ihrer freiwilligen Arbeit – mittlerweile sind es über 50 – die Bewegung, in deren Zentrum das Theater steht. ETF erhält keine kontinuierliche finanzielle Unterstützung. Manchmal werden die Auftritte bezahlt, aber wenn Straßenaktionen geplant sind, dann stehen alle freiwillig zur Verfügung. Für bestimmt Projekte – wie die Ausbildung von Kinderarbeitern – werden private Sponsoren aus dem Kreis der Unterstützer von ETF angesprochen

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Movimento Tacurú

Am Rande von Montevideo hat sich im Laufe der Jahre ein Stadtteil gebildet, der von Arbeitslosigkeit, Armut und zerstörten Familien geprägt ist: Ein Ghetto der Hoffnungslosigkeit, und das inzwischen in der dritten Generation. Dort wurde 1981 das Movimiento Tacurú mit dem Ziel gegründet, Minderjährige in Notsituationen zu unterstützen, ihnen eine Ausbildung und  somit die Chance auf soziale Integration anzubieten. Das Movimiento Tacurú ist in der „Sociedad de San Francisco de Sales“ untergebracht. Arbeits- un Computerröume, Werkstätten für Schmiede, Schreiner und Klempner gehören ebenso dazu wie ein Basketballplatz  und ein Gemüsegarten, in dem die Jugendlichen die Nahrungsmittel für den täglichen Bedarf anbauen.

Arbeitsplätze für sozial schwache Jugendliche zu schaffen, ist eine der Aufgaben des Movimiento Tacurú. In der Zwischenzeit ist es gelungen, 400 Jugendliche in erster Linie in städtischen Einrichtungen unterzubringen. Zuerst aber müssen die Jugendlichen auf das Arbeitsleben in festen Strukturen vorbereitet werden.

„Wir entschieden uns, sie langsam an einen Arbeitsplan heranzuführen“, erzählt Pater Mateo. „Zuerst war es eine halbe Stunde, danach eine Stunde, bis sie selbst merkten, dass sie mehr verdienen, je länger sie arbeiten. Sie begannen auch, sich selbst zu organisieren und Kooperativen zu bilden, in denen die Parole ‚es funktioniert, wenn ich funktioniere‘ gilt. Durch die Gruppenarbeit haben die Jugendlichen andere Lebensperspektiven entdeckt. Ihr Einkommen verbesserte sich und damit auch die Lebensqualität ihrer Familien.“

Ein weiteres Problem, mit dem das Movimiento Tacurú konfrontiert ist, ist die große Gruppe von Schulabbrechern. Während die Grundschule noch gut besucht ist, ist der Schulbesuch von Kindern über 10 Jahren fast eine Seltenheit. Darin spiegelt sich nicht zuletzt die Hilflosigkeit von Pädagogen wieder, die mit den Kindern und ihren Erfahrungen mit Armut, Gewalt und Ablehnung, nicht umgehen können. Mangelnde Schulbildung führt jedoch automatisch ins soziale Aus. Darin sieht Pater Mateo eine der wichtigsten Herausforderungen. Wie kann man Kinder und Jugendliche davon überzeugen, die Schule zumindest bis zur sechsten Klasse zu besuchen? Am meisten Sorgen macht ihm die Gruppe der Zwölf- bis 15-Jährigen, die seiner Erfahrung nach am anfälligsten für den „Ausstieg“ und das Abrutschen in die Kriminalität sind. Sportliche und andere Angebote, z.B. die MURGA, richten sich besonders an sie, um ihnen einen sozialen Halt in der Gruppe zu geben. „Die Gruppenerfahrung“ , so Pater Mateo, „ist in der Arbeit des Movimiento Tacurú ganz zentral. Auch die schwierigsten Jugendlichen haben in der Gruppe jemanden, der ihnen zuhört und in seinem Erwachsenwerden begleitet.“

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