Von Mitte Februar bis Mitte März war Bianca Waldvogt mit ihrer Familie zu Gast bei M.U.K.A. – Project in Hillbrow, einem Stadtteil im Zentrum von Johannesburg. Tief beeindruckt von der Arbeit des Projektes hat sie nach ihrer Rückkehr einen Bericht geschrieben, den wir gerne hier veröffentlichen. Zur Zeit bereitet Bianca eine Fotoausstellung in Bielefeld vor, über die wir rechtzeitig informieren werden. Die hier eingefügten Fotos stammen ebenfalls alle von Bianca Waldvogt.
Not Set Uhuru – M.U.K.A. – Project in 2012
Children are the most vulnerable citizens in any society and the greatest of our treasures. Nelson Mandela, 1993
Am 15.02.2012 ging unser Flieger, mein Mann mein Sohn und ich machten uns auf die Reise nach Johannesburg. Die Stadt in Südafrika in der man die Folgen der Apartheit noch zu spüren bekommt, wie nirgends sonst in Südafrika. Ich hatte ein Diktiergerät und jede Menge Fragen im Gepäck und neben dem Namen M.U.K.A. wusste ich dank „Google“ noch, dass mich meine Reise in das gefährlichste Viertel der Stadt -Hillbrow- führen sollte. Ein wenig mulmig war mir dabei schon, schließlich bin ich seit 9 Monaten Mutter eines kleinen Sohnes und den möchte ich ja schließlich noch lange durchs Leben begleiten.
Ich meint: Bianca, Masterstudentin der Fachhochschule Bielefeld, die ihre Masterarbeit zum Thema „Community Theatre – Theater fördert Resilienz“, schreiben will. Das galt es also in Interviews herauszufinden. Bevor ich aber Interviews durchführen konnte, wollte ich zuerst drei Wochen die Gruppen bei ihren Proben zu begleiten und so das ganze Projekt von innen heraus kennenlernen.
M.U.K.A. steht für „Most united Knowledgeable artists“ und genau diese fand ich in dem Projekt. Kinder und Jugendliche mit unglaublichem Talent und einer extrem hohen Motivation. Der Ehrgeiz und die Professionalität, mit der das aktuelle Stück [Not yet uhuru] entwickelt und vorangetrieben wurde, war beeindruckend. Und an der ein oder anderen Stelle erinnerte ich mich an die Disziplin in unserer Theatergruppe zu Hause und schämte mich fast dafür, dass wir unsere Professorin nach 90 Minuten immer um eine Pause anflehen. Tja, wir sind eben nicht M..U.K.A. musste ich mir selbst eingestehen.
Nun aber zurück zum Projekt: Das Projekt teilt sich auf in M.U.K.A. Kids, Youth und Seniors, wobei die Seniors aus einer Gruppe von „Alten“ besteht die sich hin und wieder treffen. Die Kids und die Youth Gruppe sind die aktiven Mitglieder der Gruppe und hier werden die Geschichten aus der Community erzählt. Die erste Zeit verbrachte ich mit den Kids. Dany, der Artist Director, hatte großes Vertrauen in mich – ich war selbst überrascht – so konnte ich den Kindern viele Spiele zeigen, die wir in Deutschland spielen und mir im Gegenzug Tänze und Spiele von ihnen beibringen lassen. Damit verbrachten wir die ersten Hälften der Trainingstage. Von Dienstags bis Freitag treffen sich die M.U.K.A. ‚ s, um sich auszutauschen, zu trainieren und Theater zu spielen. Nach meiner „Spaßeinheit“ gab es dann Theatertraining mit Dany – leider habe ich versäumt ihn zu fragen, woher das unglaublich große Wissen über Theaterspiel hat. Mein kleines Büchlein kritzelte ich derweil voll mit seinen Übungen und Anmerkungen. Das war Theaterschule, wie man sie besser nicht bekommen kann.
Nach ca. neun Tagen wechselte ich die Gruppe zu den M.U.K.A. Youth. Hier wurde an dem Stück „Not Yet Uhuru“ gearbeitet. Ein Stück, welches zeitgemäßer kaum sein kann. Ein Stück, dass die Geschichte eines Mannes erzählt, der aus Simbabwe nach Johannesburg kommt um dort Geld zu verdienen. Er versucht so seiner Familie zu Hause ein besseres Leben zu ermöglichen. Schon die Reise nach Johannesburg ist schwer und er verliert dabei seine Frau und eine Tochter. In Johannesburg scheint sich alles zum Guten zu wenden, aber er hat nicht damit gerechnet, dass die Einwohner des Townships ihre Wut über die Armut und Perspektivlosigkeit schon bald gegen ihn und andere „Fremde“ richten. Eine wahre Geschichte, die die Gruppe in ihren Worten und ihren kreativen Darstellungsformen erzählt.
Das Stück schildert ergreifend, echt und anrührend das Schicksal der Betroffenen ohne dabei die Perspektive der Bewohner der Townships außer acht zu lassen. Es versucht eben nicht diese als „gefühllose Kriminelle“ darzustellen, sondern auf die Not beider Seiten aufmerksam zu machen. Und es fordert dazu auf, sich daran zu erinnern, dass sie alle das gleiche Schicksal teilen und gemeinsam gegen Armut und Not kämpfen müssen. Der Zuschauer wird zu Tränen gerührt von der Kraft, die von den Schauspielern, den Tänzen und dem Gesang ausgeht. Zugleich rüttelt es auf und hinterlässt das Gefühl etwas ändern zu wollen. Das Thema ist kein südafrikanisches. Es ist ein „menschliches“ überall auf der Welt, auch bei uns – wie wir in Deutschland gerade zu spüren bekommen. Dort wo Menschen nach Perspektiven suchen, wo Armut die Seele krank macht und wo die Politik es nicht schafft Hoffnung zu sähen, werden Menschen auf andere losgehen denen sie eine vermeintliche Schuld für ihr Unglück geben können.
M.U.K.A. schafft es auf ihre Art diese wahre Geschichte in einem Stück zu verarbeiten, dass zum Denken und Austauschen anregt. Ein wundervolles Projekt, eine professionelle Crew, tolle Schauspieler und einzigartige Menschen – eben M.U.K.A!
Danke für vier großartige Wochen!
Bianca