„Bella Italia“ in Montevideo – Kultur für alle!

Das Ensemble von „De Ninguna Manera“

Murga aus Montevideo, politische Karnevalsmusik von jungen Menschen gespielt, die aus einem der ärmeren Stadtteile der Hauptstadt Uruguays stammen: Bella Italia.
Die jungen MusikerInnen waren 2009 im Frühjahr bei der KinderKulturKarawane dabei und haben mit ihrem Charme, ihrer Musikalität und Energie das Publikum hingerissen. Vier von Ihnen und zwei „vecinos“, Eduardo und Laura, haben wir am 15. März mittags in ihrem Zentrum an der Ausfallstraße Richtung Pandu, dem „Mercadito Bella Italia“, wiedergetroffen. Einem sehr herzlichen Empfang folgte ebenso offenes wie spannendes Gespräch.

Der Mercadito Bella Italia

Aus der düsteren, alten kleinen Markthalle von einst war ein buntes kleines Kultur- und Bildungszentrum geworden. Und aus den jungen z.T. etwas zurückhaltenden KünstlerInnen waren junge Erwachsene geworden, die – wie wir im Gespräch erfuhren – inzwischen selbst als TrainerIn oder LehrerIn in unterschiedlichen künstlerischen Genres in und für den Stadtteil arbeiten.

Eduardo und Laura, jeweils Eltern einiger der jungen KünstlerInnen und vor allem „Nachbarn“ in Bella Italia, führten uns durch das kleine Zentrum und berichteten, was sich seit 2009 alles entwickelt hat. Damals gehörte der „Mercadito“ schon zum Programm der „Esquinas Culturales“, das 2005 vom Kulturdirektor von Montevideo, Mauricio Rosencof, und seinem Team gestartet worden war. Zunächst waren es etwas mehr als 20 solcher kleiner kultureller „Ecken“, die aus dem Programm der Stadtverwaltung Montevideos finanziert wurden. Heute sind es fast 100 kulturelle „Brennpunkte“ – und das obwohl es nur recht bescheidene Mittel für die Zentren gibt.

Das Wandgemälde zeigt eine Candombe-Gruppe

Die Unterstützung der Esquinas bestand in der Vernetzung mit bekannten KünstlerInnen, die dann als LehrerInnen, TrainerInnen oder Coach die Menschen in ihren kulturellen Interessen unterstützten.
Oder das städtische Synfonieorschester kam z.B. zweimal im Jahr raus nach Bella Italia und spielte dort open-air vor dem Mercadito. „De Ninguna Manera“ war übrigens auch von einem der bekanntesten „Murgisten“ Uruguays, Pitufo Lombardo, unterichtet worden.

Mitteilungstafel im Mercadito mit Kursplänen und Veranstaltungsinformationen

Nach den intensiven Erfahrungen in Europa haben sich alle Mitglieder der Murga-Gruppe weiter im Zentrum engagiert und weitere Talente bei sich entdeckt und diese entwickelt. Andere Musikformen, Theater, Kunst, Tanz – aber auch Murga  – sind die Felder, in denen die Jugendlichen arbeiten. Einige von Ihnen sind als StudentInnen in Theater- oder Musikschulen, anderen arbeiten und engagieren sich nebenher im Mercadito. Dabei ist dieser kein Jugendzentrum. Auch die Erwachsenen haben hier ihre Möglichkeiten der Entfaltung, erzählte uns Eduardo, einer der „vecinos“. Da gibt es Schminkkurse, die eher der Maskenbildnerei zuzuordnen sind. Im Computerbereich des Zentrums treffen sich wöchentlich 15 Männer des Stadtteils, um sich im IT-Bereich weiterzubilden. Es gibt Gymnastikkurse in der „Halle“, Tanzkurse und viele Aktivitäten mehr. Vieles davon konzentriert sich dabei auf den Karneval, der in Montevideo eine der längsten Sessionen der Welt hat, und dort Aschermittwoch noch lange nicht vorbei ist.

Der Karneval 2014 war für den Mercadito ein Meilenstein, wude uns berichtet, denn zum ersten Mal war das „Defile“, also der Umzug der unterschiedlichen Gruppen, ein Ereignis, bei dem fast das gesamte Barrio auf den Beinen war. Kinder und ältere Semester, Frauen, Männer, Jugendliche: sie alle kamen aus ihren Wohnungen und machten kostümiert, geschminkt und mit Musik auf den Straßen rund um den Mercadito mit. Deutlich konnten wir den Stolz von Laura (die andere Nachbarin) und Eduardo aus ihren Erzählungen heraushören. Ein Stolz der durchaus berechtigt ist, denn das erklärte Ziel der „Esquinas Culturales“ ist es, die Menschen zu ermutigen selber kulturell aktiv zu werden und nicht isoliert zuhause vor dem Fernseher zu hocken.
„Kulturelle Teilhabe“ ist der Schlüsselbegriff, denn diese hat in der Regel auch zur Folge, dass die Menschen sich in ihrem Stadtteil auch allgemein engagieren.

Wandgemälde an einer Außenwand des Mercadito

Längst konzentrieren sich die Aktivitäten der Nachbarn und der Jugendlichen nicht mehr nur auf „ihr“ Zentrum. Sie haben Kontakte zu verschiedenen Schulen und Kindertagesstätten geknüpft und sind auch dort aktiv. Musikförderung für die 1- 5-jährigen, Tanzworkshops in der „secundaria“ – vielfältig und unkompliziert ist da die Zusammenarbeit. Das wäre hier in Deutschland so nicht möglich.
Aber der Mercadito vernetzt sich nicht nur im Barrio, sondern bekommt auch aus anderen Stadtteilen Besuch. 2011 hat das Kulturministerium Uruguays Mittel bereit gestellt, eine kleines Musikstudio im Mercadito einzurichten. Und das erfreut sich großer Beliebtheit bei MusikerInnen und Bands jeder Art – auch in den angrenzenden Barrios.

Die Außenbühne am Mercadito

Wohlgemerkt: es gibt im Mercadito keine „Kulturmanager“, es gibt keinen festen Etat. Es gibt allerdings viele engagierte Nachbarinnen und Nachbarn, und es gibt viel Geduld und Bodenhaftung. Die „vecinos“ und vor allem die Jugendlichen haben begriffen, welche Möglichkeiten in ihrer „esquina cultural“ stecken. Und sie haben begriffen, dass alles „seine Zeit braucht“.
Vor einiger Zeit gab es ein Beschäftigungsprojekt für Jugendliche in einem anderen Barrio. Auf der Suche nach praktischen Einsatzmöglichkeit sind sie auch beim Mercadito vorstellig geworden. Jetzt hat das Zentrum eine feste Außenbühne.

Im Gespräch mit Vecinos und Jugendlichen im Mercadito

Natürlich kamen wir auch auf die KinderKulturKarawane zu sprechen und eine mögliche erneute Zusammenarbeit. Eine Idee gibt es auch schon in Montevideo: die Jugendlichen von 2009 wollen aus ihren Gruppen und den verschiedenen Genres Kids zusammenbringen und eine Inszenierung entwickeln, die die Geschichte des Barrio „Bella Italia“ mit den unterschiedliche Künsten erzählt. Wir sind gespannt und sehr offen…

Ein großer Plan des Zentrums ist eine Erweiterung um einen großen Saal für Aufführungen und Versammlungen. Die Grundmauern stehen noch vom alten Gebäude, also eigentlich beste Voraussetzungen.  Zudem benötigt man im Zentrum für Versammlungen und Kurse unbedingt Tische und Stühle.

https://www.facebook.com/mercadito.bellaitalia?fref=ts

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