Skater, Parkour, Subkultur in Qalqilya (Palästina)

„This is my dream.“ Sajed Abu Ulbeh steht auf dem Rand der neuen Skaterampe in Qauqiliya (Palästina) und blickt mit strahlenden Augen auf die ausgelassen herumtollenden Kinder und Jugendlichen hinab. „Everyone is crazy!“, sagt er lachend. Sajed ist 29 Jahre alt und Skater aus Leidenschaft. Als er zwölf war, brachte ihm sein Vater ein Paar Inlineskates aus Israel mit und begründete damit die Passion seines Sohnes, der von da an die engen Straßen Qalqiliyas unsicher machte.
Bald schließen sich ihm andere Jugendliche und Kinder an, ausgestattet mit allem was Rollen besitzt. Es entwickelte sich eine – wenn schon nicht wirklich professionelle, so doch zumindest begeisterte Skater-Szene, die sich den Namen „X-Games“ gab – in Anlehnung an die berühmten Extremsportwettkämpfe der USA.

Die Suche nach Frei-Räumen
Die Jugendlichen träumten von einem ganz eigenen Ort und fantasierten insgeheim von den großen Skateparks und Rampen jenseits der israelischen Mauer. Die Suche nach Freiräumen ist allgegenwärtig in der Westbank. Man kann sich wohl kaum einen „klaustrophobischeren“ Ort als Qalqiliya vorstellen, denn die gut 40.000 Einwohner zählende Stadt ist an drei Seiten direkt von der israelischen Sperranlage umschlossen; einer acht Meter hohen grauen Betonmauer, deren Bau 2002 von der Regierung Scharon im Zuge seiner Anti-Terror-Maßnahmen beschlossen wurde.
Verschiedene Versuche eine dauerhafte Möglichkeit zu schaffen zu skaten scheiterten. Doch die Jugendlichen gaben nicht auf. Im Gegenteil: sie begannen damit, ihre Fähigkeiten zu trainieren und sich in Eigenregie Hip-Hop, Beatboxing und Parkour beizubringen – ein Ausdruck ihres Widerstandes gegen die israelische Okkupation einerseits und die starren konservativen Traditionen ihrer Gesellschaft andererseits. Gleichzeitig stellte es den Versuch dar, innerhalb der ummauerten Stadt ein wenig Lebensfreude zu finden.

Der Wendepunkt
2011 endlich kam der Wendepunkt und zwar in Gestalt zweier Männer: Der New Yorker Künstler Adam Abel war bei Recherchearbeiten für ein Kunstprojekt über physisch begrenzte Räume nach Qalqiliya gekommen, wo er auf der Suche nach einem kompetenten Ortskundigen auf den bekannten politischen Aktivisten und Menschenrechtler Mohammed Othman traf. Abel hatte über Umwege auch von Sajid und den „X-Games“ gehört und beschloss den jungen charismatischen Mann zu treffen. Othman, an dem die Existenz dieser jugendlichen Subkultur bisher völlig vorbei gegangen war, begleitete ihn.
Als sie Sajid trafen war es quasi Liebe auf den ersten Blick: „Mohammed und ich stammen zwar aus vollkommen unterschiedlichen Welten, doch beide haben wir sofort erkannt: Hier geschieht etwas Besonderes, etwas ganz und gar Einmaliges“, erinnert sich Abel. „Von einem auf den anderen Moment habe ich all meine Arbeit liegen gelassen und beschlossen, diese Geschichte in einen Film zu erzählen.“

Der Traum geht in Erfüllung
2013 begann dann endlich ein Traum in Erüfllung zu gehen. Die Finanzierung für eine Skate.Park stand, ein Designer war gefunden. Neun Monate intensiver Planung, eine einwöchige Bauphase, viele Rückschläge, Schweiß und Tränen. Doch inzwischen ist mit der Eröffnung der neuen Skate-Rampe auf dem Gelände des Zoos von Qalqiliya, übrigens dem einzigen Zoo der Westbank, der Traum Sajids und seiner Freunde in Erfüllung gegangen. Auch das mehrjährige Filmprojekt Abels und Othmans ist inzwischen abgeschlossen.

Text aus: „Qantara“ 
© Qantara.de 2014,
Laura Overmeyer


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